Meine Erfahrung in der Meditation ist, dass eine der grössten Herausforderungen darin besteht, das richtige Mass zu finden:
Mediation ist erst einmal harte Arbeit (und hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Entspannung zu tun). Der Körper schmerzt beim Sitzen, der Geist ist unruhig und - gerade zu Beginn - im Widerstand. Mal gibt es gute Tage, dann auch wieder schlechte... Und oft wird zu Beginn zu verbissen geübt: "Ich will jetzt aber Ruhe/Frieden/Zufriedenheit/Glück usw. finden!!".
Die grosse Kunst besteht meines Erachtens darin, auch immer wieder Gelassenheit (oder wie es die Buddhisten nennen: Gleichmut) zu kultivieren.
Im Yoga Sutra heisst es dazu (YS I.12): Abhyasavairagyabhyam tannirodahah: "In der Balance aus Übung (abhyasa) und Gelassenheit/Gleichmut (vairagya) werden die Geisteszustände zur Ruhe gebracht"
Vielleicht kennst Du es das chinesische YinYang: Auch im Yoga gibt es immer ein aktives und passives Element. Es geht darum, sich zu bemühen und gleichzeitig um loszulassen. Dem einem gelingt das eine gut, dem anderen das andere.
Jetzt gilt es, den "schwächeren" Aspekt zu kultivieren und beide Pole in Einklang zu bringen (in meinen Yogastunden zitiere ich bei den physischen Körperübungen, asana, gernde das Sutra II.46 sthirasukhamasanam: "Die ideale Haltung ist stabil/fest/kraftvoll UND weich/sanft zugleich", was m.E. den Pendant zu diesem auf das Mentale ausgerichteten Sutra bildet).
Was heisst das nun konkret: In der Meditation ist es wichtig, dass Du ohne Verkrampfung, zu grossen Ehrgeiz und ohne Anhaften an irgendwelche Ergebnisse übst. Es geht nicht um Leistung und Erfolg, sondern, dass Du mehr und mehr in Deiner Mitte ankommst.
Dabei ist es wichtig, stetig «dranzubleiben» (beharrliches Üben) und zugleich auch Dich übst, Deine Meditation mit Leichtigkeit zu praktizieren, mit einer gelassenen inneren Haltung.
Nicht zu Unrecht sagen der Indologe Prof. Dr. Mittwede und der Yogalehrer Remo Rittiner (bei denen ich beide lernen durfte und deren Buch «Meditation ist das Herz des Yoga», welches auch diesen Beitrag inspiriert hat):
"Die Balance immer wieder zu finden ist eine grosse Kunst, die viel Achtsamkeit benötigt"
REFLEXION
- In welcher Situation in der letzten Woche hast Du das richtige Mass von Übung und Gelassenheit gefunden?
- In welchen Situationen hast Du noch Potential das richtige Mass zu finden?
ÜBUNG
- Finde eine aufrechte Sitzposition, schliesse Deine Augen. Beginne Deinen Ein- und Ausatem aktiv und sukzessive zu verlängern (wenn Du Fortgeschritten bist, integriere auch noch dei Atemleere und -fülle in Deine Atmung).
- Wenn Du magst, kannst Du auch die Atemzüge zählen (z.B. beginnst Du bei 4 Sekunden Ein- bzw. Ausatmen) und verlängere in jedem darauffolgenden Zyklus um jeweils eine Sekunde.
- Sei jetzt sehr achtsam und präsent: Ab welchem Moment verkrampfst Du, merkst, dass Du jetzt sehr ehrgeizig versuchst, Deinen Atem noch mehr zu verlängern oder gibst im Gegenteil zu schnell auf?
- Gelingt es Dir, nun Leichtigkeit, Gelassenheit in Deine Übung zu bringen und gelichzeitig dranzubleiben? Stelle keinen Weltrekord im Atmen auf.
- Sei achtsam und liebevoll zu Dir selbst. Erkenne und akzeptiere Deine Grenzen!! Du kannst sie ausloten, ggf. (wenn Du geübt bist) auch etwas ausdehnen. Aber bitte niemals überschreiten, achte auf Deine Gesundheit!